Rückspiegel ab Folge 41

59.

Am Beispiel des Brunnenbaues auf dem Hof des 'Kirchenbauern' Johann Georg Schwinn ist zu erkennen, dass das Anlegen privater Hausbrunnen sehr kostenintensiv war und deshalb nur für wohlhabende Bürger in Frage kam. Die Hausbrunnen wurden nur von den Bewohnern der jeweiligen Anwesen genutzt, die überlieferten Schriftstücke enthalten Hinweise auf Eifersüchteleien und Streit.

 

Die Gemeinde als Trägerin des "gemeinheitlichen", d.h. öffentlichen Brunnenwesens steht immer noch vor Problemen. Besonders im Rothenberger Oberdorf, dem Eckbüschel, klagen die Bewohner nicht nur zu Zeiten anhaltender Trockenheit über den Zustand der Wasserversorgung.

Baumaßnahmen, die zur Behebung der Mängel beitragen sollen, führen oft nicht zum gewünschten Erfolg.

 

1845 berichten die Gemeindeakten von der Fertigstellung des Brunnens im Eckbüschel. Die Arbeiten waren 1843 nach Plänen des Kreisbaumeisters Lerch begonnen worden. Die Akten sagen nichts über einen möglichen Vorgänger.

Den Auftrag erhielt ein ortsansässiger Maurer namens Rug, der als 'Wenigstnehmender' aus der 'Veraccordierung' (Arbeitsversteigerung) hervorgegangen war.

Der Handwerker ruiniert sich mit der Übernahme der Arbeit, da er den Widerstand des Untergrundes falsch eingeschätzt hat. Er beklagt „ ... die harten Felsen, die sich abwechselnd einstellten und Einstürtze von Erdmassen und das in diesem Kanal zusammenfließende Wasser...“. Rug bittet 1844 die Gemeinde um finanziellen Ausgleich seines, durch den felsigen Untergrund bedingten, zeitlichen Mehraufwandes, da er sonst seine Familie nicht mehr ernähren könne. Die Gemeinde zahlt nicht. Die Gemeinderäte bestehen auf die Erfüllung der vereinbarten Arbeitsleistung und zahlen nicht mehr als die bei der Arbeitsversteigerung festgesetzte Summe.

 

Bild: Blick aus dem Brunnenstollen in einen vertikalen gemauerten Schacht nach Oben. Der Schacht befindet sich – ungefähr - an der heutigen Kreuzung Haupt-, Landwehr- und Feldstraße. Der Schacht kann drei Funktionen gehabt haben: 1. Abtransport von Abraum, 2. Bewetterung des Stollens, also Frischluftzufuhr während der Bauarbeiten, 3. Ziehbrunnen.

58.

Die Erfahrung, dass das kostbare Nass „gehalten“ werden muss, machte auch der Kirchenbauer Johann Georg Schwinn, der im Winter 1868/69 zusammen mit dem Brunnengräber Emrich (Emmerich?)aus Beerfelden einen Brunnen auf seiner Hofreite am heutigen Rothenberger Metztkeil baute. Schwinn berichtet das Bauvorhaben in seiner Rechnungskladde.

 

Zunächst ergrub man einen senkrechten Schacht. „Haben gegraben bis zur geraden Tiefung, 50 Fuß“. 1 Fuß entspricht ca. 30 cm. In dieser Tiefe von umgerechnet 15 Metern (!) wurde ein 7 m langer Stollen in den Fels gehauen. Erfolgreich! Die angeschlagene Kluft lieferte, doch das Wasser verschwand sofort wieder im zerklüfteten Untergrund. Clever versenkten Schwinn und Emrich einen „eichenen Stenner“ auf dem Grund des senkrechten Schachtes. Der hölzerne Bottich füllte sich aus einem im Stollen verlegten „Kandel“ und konnte „3 Ohm Wasser halten“, also ca. 500 Liter. Für 66 Gulden kaufte Schwinn in Michelstadt eine Druckpumpe.

 

Johann Georg Schwinn hatte damit die Wasserversorgung seines Hofes gesichert. Aus Freude über das gelungene Unterfangen hat er in seinem Rechnungsbuch ein Gedicht überliefert. Das Gedicht und der Bericht vom Brunnenbau sind im Odenwälder Jahrbuch „gelurt 2023“ nachzulesen. „Gelurt, Odenwälder Jahrbuch für Kultur und Geschichte“ wird vom Kreisarchiv des Odenwaldkreises herausgegeben und ist dort oder im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-9822567-2-6).

 

57.

In unserer Gegend fielen während der letzten 100 Jahre ca. 900 bis 1000 mm Niederschlag pro Jahr. Diese Zahlen lassen sich der amtlichen Wetterstatistik entnehmen, im Rückspiegel 56 wurde umgerechnet: 1000 mm Niederschlag bedeuten 1m³ Wasser = 100 Eimer pro m². die Dimension dieser Menge soll ein kleines Zahlenspiel verdeutlichen:

Die Hirschhorner Höhe, auf deren Mitte Rothenberg liegt, wird im Süden durch den Neckar, im Norden durch Beerfelden, im Osten durch den Gammelsbach und im Westen durch den Finkenbach begrenzt. Das Gebiet umfasst ca. 40 km². 1 km² entspricht 1.000.000 m². Im Durchschnitt der vergangenen Jahre fielen oder fallen damit 40.000.000 m³, in Worten: Vierzig Millionen Kubikmeter Wasser auf die Hirschhorner Höhe. Diese Zahl veranschaulicht, bedeutet, dass sich mit dieser Wassermenge der Marbach-Stausee ca. 57 mal auffüllen ließe, wenn man Verdunstung und Wasserbedarf der Vegetation unberücksichtigt lässt.

Auf der Hirschhorner Höhe gibt es keine offenen Bäche, die das Wasser zu Tal führen. Das Wasser versickert, tränkt den porösen Sandstein und folgt dann den Klüften und Spalten im Fels. Erst eine Tonschicht leitet das Wasser zu den Quellen im Tal (Rückspiegel 55). Gammels- und Finkenbach werden von dort gespeist.

Brunnenbau in Rothenberg bedeutete, dass eine wasserführende Kluft gefunden und angezapft werden musste. Grundwasser im klassischen Sinne hätte man bestenfalls auf der tonigen Gesteinsschicht in 130 m Tiefe finden können.

Eine wasserführende Kluft anzuzapfen bedeutete bergmännische Arbeit. Schächte für Tiefbrunnen, Stollen für Laufbrunnen wurden auf der Suche in den Fels geschlagen oder – so im Falle des Krämersbrunnens – auch gesprengt. Wenn, bei Erfolg, Kluftwasser in die Brunnenstube lief, galt es, dafür zu sorgen, dass es sich am Boden der Stube sammeln konnte, sonst wäre es in den Klüften weiter talwärts geflossen. Um die abführenden Klüfte zu abzudichten, wurde in der Regel lehmhaltiges Material benutzt. Im Krämersbrunnen gewährleisten „moderne“ Sandsäcke auf dem Boden die Schüttung des Brunnens.

57.

Eigentlich sollte in einer regenreichen Gegend mit einer durchschnittlichen Niederschlags­menge von knapp 1m³ pro m² und Jahr die Versorgung von Mensch und Vieh mit Wasser keine Schwierigkeiten bereiten.

Die Probleme hatten im wesentlichen zwei Ursachen: Schwankungen in der Niederschlags­menge, vor allem aber die geologischen Bedingungen.
Die Niederschläge schwanken im Odenwald jahreszeitlich bedingt sehr stark. Die gesamte durchschnittliche Menge von 900 bis 1000 mm fällt über das Jahr nicht gleichmäßig verteilt, sondern hat ihr Maximum im Juni/Juli sowie im Oktober. Die geringsten Mengen fallen im Durchschnitt im Januar/Februar und im April.

Abweichend von den Jahresmittelwerten können im Odenwald bedeutende Schwankungen der Jahresniederschlagsmengen beobachtet werden, in Extremfällen von ca. 800 mm bis 1600 mm.

Rothenberg liegt auf einem Höhenrücken des Buntsandstein-Odenwaldes im Bereich des Oberen Buntsandsteins. Mit einer Höhe zwischen ca. 350 m und ca. 480 m stellt die Ortslage eine Ausnahme in der Siedlungsgeografie des südlichen, zertalten Odenwaldes dar.

Böden, die aus den Verwitterungsprodukten des Buntsandsteins entstanden sind, halten das Wasser schlecht, sie sind durchlässig und trocknen schnell aus.

Ein weiteres Problem liegt in der geologischen Vergangenheit der Gegend. Die Täler von Itter, Gammelsbach und Finkenbach folgen tektonischen Verwerfungen, sie sind als Dehnungs- bzw. Einbruchsrisse durch Bewegungen innerhalb der Erdkruste entstanden und in ihrer Gestalt später durch Erosion verändert worden.
Die tektonischen Vorgänge sind nicht ohne Auswirkungen auf die Sandsteinformation geblieben, auf der die Gemarkung Rothenbergs liegt. Das Sandsteinpaket ist zerbrochen, der Fels stark zerklüftet. Das in den Grund eindringende Oberflächenwasser folgt diesen Rissen, Spalten und Klüften und tritt nach meist nicht nachvollziehbaren Wegen oberhalb undurchlässiger tonhaltiger Gesteinschichten in Quellen wieder zutage. Das Dorf liegt unter den gegebenen geologischen Bedingungen zu hoch, der Quellhorizont, markiert durch Matzenbrunnen, Gromernsbrunnen und unterem Himmelreichsbrunnen, alle auf ca. 270 Metern Höhe, befindet sich weit unterhalb der Ortslage. Genügend Quellwasser gibt es im Tal aber nicht in Rothenberg.

 

55.

Heute sind sie eine Zierde des Ortsbildes, spenden Tränk- und Gießwasser und kühlen im Sommer so manche Flasche Bier: Der Krämersbrunnen, der Ahls- oder Eckbüschelsbrunnen und der Benzbrunnen. Die Brunnen sind aber auch Zeugen der gewaltigen Anstrengungen der Rothenberger im Kampf um eine zuverlässige und ausreichende Wasserversorgung. Hinter jedem Brunnen liegt ein in den Berg gehauener Stollen. Diese Anlagen sind sehr aufwändig und in der Region einmalig. Der mit 200 Metern längste Gang verbirgt sich hinter dem Ahlsbrunnen.

Seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts wird die öffentliche Wasserversorgung Rothenbergs in Akten erfaßt. Schon der Umfang der erhaltenen Aktenstücke aus dem 19. Jahrhundert ist, mit mehreren hundert Blättern, ein Hinweis darauf, wie intensiv sich die damalige Verwaltung um die Lösung der Wasserprobleme in unserem Dorf kümmern musste. Dabei sind in den Akten die privaten Brunnenanlagen überhaupt nicht oder nur im Zusammenhang mit der öffentlichen Wasserversorgung erwähnt.

 

Das Höhendorf Rothenberg liegt in einer Gegend, die mit Niederschlägen eigentlich reich gesegnet ist. Dennoch berichten Chronisten und alte Akten  immer wieder von Wassermangel. Trockene Sommer waren in unserer Gegend gefürchtet. Immer wieder ist dokumentiert, dass in niederschlagsarmen Zeiten die Brunnen innerhalb des Ortes versiegten.
Ausgesprochene 'Wassernöthe', wie man damals schrieb, sind für die Jahre 1857, 1858, 1860 und 1879 bezeugt. Fortwährend schlecht und damit immer wieder Anlass zur Klage war die Versorgung im Rothenberger Oberdorf, dem Eckbüschel.

 

(Rückspiegel 7).

 

54.

27000 Übernachtungen von Feriengästen in Rothenberg, Hainbrunn und Kortelshütte im Jahr 1969! Diese märchenhafte Zahl wurde Anfang der 70er Jahre noch getoppt. Im Protokollbuch des Verkehrsvereins ist von ca. 40000 Übernachtungen die Rede. Der Grund: Im Jahr 1969 eröffnete Architekt Felix Schuppel das Kurheim „Cordula“. 1977 übernahm auf Initiative von Pfarrer Hartmut Krüger die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche die Gebäude und begann mit der Einrichtung eines Altenheims, das heute, der Azurit-Gruppe angehörig, noch den Namen „Cordula“ trägt. Jetzt erinnert noch der sogenannte „Herzkrankenweg“ an die Vergangenheit als Kurheim.

Die Ansichtskarte wurde 1972 von einer „Margit“, mit Kreuzchen am Zimmer und herzlichen Grüßen versehen, nach München verschickt. Verdammt lang her, mehr als 50 Jahre. Die Mädels im Bikini aus den Siebzigern: Heute in den Siebzigern.

53.

In den1960er Jahren begann für den Fremdenverkehr, der sich in der Nachkriegszeit stetig aufwärts entwickelte, eine wahre Hype. Im Protokollbuch des Rothenberger Verkehrs- und Verschönerungsvereins sind Übernachtungszahlen dokumentiert, die heute nahezu unglaublich klingen. 1962 verfügte die Rothenberger, Kortelshütter und Hainbrunner Gastronomie über ca. 200 Betten. Im gleichen Jahr wurde eine Fremdenverkehrsabgabe von 10 Pfennigen pro Person und Übernachtung eingeführt. 1964 vereinnahmte der Verkehrsverein 800 DM, ein Jahr später 1400 DM. Sollten die Wirte damals richtig abgerechnet haben, bedeutet dies, dass die Anzahl der Übernachtungen innerhalb von 2 Jahren von 8000 auf 14000 angestiegen war. Für das Jahr 1966 meldet der Jahresbericht des VVR eine konkrete Zahl: In 25418 Fällen haben Gäste, auch „Kurgäscht“ oder „Fremme“ genannt, die Rothenberger Betten genutzt. Fast 27000 Übernachtungen waren es im Jahr 1969. Neben der Sorge für die Bettwäsche gab es da auch allerhand zu kochen, zu braten und zu backen. Der Verkehrsverein sorgte für touristische Infrastruktur: Bänke, Schilder, Prospekte und Wanderkarten, aber auch für unterhaltsame Ereignisse.

Zimmervermietung an Feriengäste war lukrativ. Bauliche Erweiterungen, Neu- oder Umbauten boomten parallel zur Nachfrage. Viele Gäste übernachteten in privaten Zimmern, die, in Zusammenwirken mit der Gastronomie, meist im Nebenerwerb vermietet wurden, Frühstück gab’s im Wohnzimmer, gegessen wurde in den Gasthöfen oder im Café. 

52.

Ansichtskarte, Kortelshütte, 1960er Jahre. Der Kortelsberg ist noch völlig unbebaut. Ganz rechts das Schulhaus. Die heutige Hochstraße bildet die Bilddiagonale.
Die Postkarte wirbt auf ihrer Rückseite für die „Pension Berghof, direkt am Wald, Bes. L. Braner, Höhenluftkurort Kortelshütte“. Das Anwesen selbst liegt versteckt hinter der Straßenkurve. Die Postkartenmacher nutzten einen weißen Pfeil: „Da ist er, der Berghof! Schaut euch die Umgebung an!“

51.

„Rothenberg i. Odenwald vom Flugzeug aus“. Die Bildpostkarte wurde in Beerfelden gestempelt. Das Datum selbst ist nicht lesbar, auf der grünen Sechspfennigmarke guckt Hindenburg grimmig nach Links. „Freigegeben vom R.L.M“ (Reichsluftfahrtministerium) steht auf der Rückseite, zwischen der Mitteilung und dem Adressfeld. Mit der der Nennung dieses Ministeriums, das 1935 gegründet wurde, lässt sich die Karte auf die Jahre danach datieren. Derartige Aufnahmen kamen als Ansichtskartenmotiv damals in Mode. Teilweise zeichnet der Verkehrsverein Rothenberg als Verleger.

Hinsehen lohnt sich: Das Rothenberger Unterdorf ist vom Oberdorf noch deutlich geschieden, die Feldflur noch stark vom Ackerbau geprägt. Lang und schmal sind die Grundstücke. Oft nur 10m bis 12m breit, dafür 100m bis 120m lang bilden die durch Erbteilung entstandenen Parzellen ungefähr einen halben Hessischen Morgen (ca. 1250 m² = ¼ ha) ab. Praktisch: Auf den langen Äckern musste der Pflug nicht so oft gewendet werden.

50.

Bildpostkarten - Ansichtskarten - zu schreiben, um die Lieben aus der Ferne zu grüßen, war bis vor wenigen Jahren fester Bestandteil im Programm einer jeden Urlaubsreise. Ein Kreuzchen auf dem Bild verriet neben dem „Gruß aus …“ den aktuellen Aufenthaltsort, links neben dem Adressfeld wurde die Befindlichkeit der Absender notiert. Heute geht das schneller, aktueller und individueller mit einem selbstgeschossenen Foto, das eine Nachricht auf WhatsApp illustriert.

Seit den1870er Jahren wurden Postkarten und Bildpostkarten verschickt. Ansichtskarten mit Motiven aus Rothenberg entstanden in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Als Lithografien waren farbige Karten aufwändig produziert und damit relativ teuer. Fotos lieferten zunächst nur schwarz-weiße Bilder in noch entwicklungsbedürftiger Qualität.

Zunächst waren es die Wirte, die ihren mitteilungsbedürftigen Gästen die Karten anboten und damit nicht nur deren Kommunikationsbedürfnissen nachkamen, sondern auch den Werbeeffekt bei den Adressaten der Karten für ihre gastronomischen Betriebe sahen und nutzten. Rothenberger Einzelhandelsgeschäfte stiegen später in den Vertrieb mit ein.

Käufer der Ansichtskarten waren hauptsächlich „Kurgäscht“. Der Verkauf der Karten muss sich gelohnt haben, ein Zeichen für die Entwicklung des Fremdenverkehrs.

Im „Rückspiegel“ werden immer mal wieder alte Ansichtskarten veröffentlicht und kommentiert. Genaues Hinsehen lohnt sich. Größere Abbildungen gibt´s auf www.vvrothenberg.de.

Der Poststempel wurde 1910 auf die Fünfpfennigmarke gesetzt. Interessant ist der Versuch, die Karte durch die Verwendung von Jugendstilornamenten künstlerisch aufzuwerten. Die Reverenz des Herausgebers an den künstlerischen Zeitgeist wirkt ein wenig verkrampft. Etwas unsicher hat der Verlag Edelmann & Willenbücher aus Beerfelden in den Baukasten zur Herstellung von Postkarten seines noch jungen Gewerbes gegriffen.

Die 1870 eingeweihte Schule trägt noch ihr Glockentürmchen. 1916 musste die Glocke für Kriegszwecke abgegeben werden. Das Türmchen selbst war nach mehr als 50 Jahren reparaturbedürftig und wurde deshalb kurzerhand abgerissen.

49.

Am Freitag, 18.11. und  am Samstag, 19.11., jeweils um 20 Uhr, bespaßt die Rothenberger Theatergruppe (RTG) wieder ihr Publikum in der Sporthalle: „Kaviar trifft Currywurst“. Vielleicht gibt es noch Karten im Vorverkauf oder an der Abendkasse.

 

Mehr als 70 Jahre zuvor brachten die Ahnen der RTG „Müllers Lies“ auf die Bühne des Saales im „Adler“. 1951 hatte man wieder Lust, Zeit und Muße zum Theaterspiel. In einer Zeit ohne Fernseher wurde das Angebot gerne angenommen. Der Rückspiegel 47 berichtete mit einem Bild der Gruppe und bat um Hilfe bei der zeitlichen Einordnung und der Identifikation der Personen. Es gab einige Rückmeldungen, deren Ergebnis hier noch nicht verraten werden soll. Stattdessen ein weiteres Foto, aufgenommen vor dem Haus Bartmann am Rothenberger Metzkeil. Damals kam zum Fotografieren noch der Profi Helm aus Beerfelden.

In Rothenberg überliefert als "Millersch Lies", lautet der Titel des Theaterstückes von Franz Schwalbach: "s' Millersch Liss'l vunn Mich'lboch".

47.

Im November spielt die Rothenberger Theatergruppe nach der Coronapause wieder auf: „Kaviar trifft Currywurst“, eine Komödie über Schein und Sein der Edelgastronomie, wird nicht nur den Gaumen sondern auch die Lachmuskeln reizen.

Das Bild im heutigen Rückspiegel zeigt die Ahnen der Rothenberger Theatergruppe. Die stolze Gruppe brachte „Müllers Lies“ zur Aufführung. Wer Details weiß, das Stück, das Jahr oder schauspielende Personen kennt, meldet sich bitte beim Rückspiegel.

46.

Das Neckartal diente auch nach 1648 immer wieder dem Durchmarsch von Truppen, deren Führungen von den Bewohnern nicht nur ganz offiziel Geldzahlungen (Kontributionen) verlangten, Quartier und Verflegung eintrieben, sondern auch plündern ließen. 1672 begannen wieder ein Krieg: Heiliges Römisches Reich gegen Frankreich. General Turenne gewann 1674 die Schlacht bei Sinsheim. Insgesamt kämpften 12.000 Mann Kavallerie. Die Männer und ihre Pferde wollten versorgt sein. „ … leider bewiesen sich damals die deutschen Truppen ebenso feindselig gegen die armen Einwohner, als die Feinde selbst. Was bei ihrem Durchzug die deutschen Truppen übrig gelassen hatten, vernichtete die [ … ] französische Armee.“ Es kam zu Tätlichkeiten. Bedrängte Bauern „hängten einzeln gefangene Soldaten auf, und die Franzosen verbrannten dafür ganze Dörfer“, schreibt F.R. Kissinger in seiner Chronik Hirschhorns. 1677 gab es eine Pause „bis […] unter Melack von neuem die Einwohner“ […] heimgesucht wurden. Der französische General Melac wurde von seinem König, Ludwig XIV, dem Sonnenkönig, der die Kurpfalz nach dem Tode des Kurfürsten als sein Erbe beanspruchte, mit dem Auftrag „Brulez le Palatinat!“ (Brennt die Pfalz nieder!) auch in unsere Gegend geschickt und leistete dort ganze Arbeit. Das Heidelberger Schloß ist seitdem eine Ruine.

Die Rothenberger hatten, wie andere Dörfer in der Nähe des Neckars auch, mit Sicherheit ungebetenen Besuch. Wenig ist schriftlich überliefert. Die Leute selbst waren des Schreibens nicht oder nur wenig kundig. Dokumente der Verwaltung oder Kirche sind lückenhaft oder noch nicht gefunden.

Die Mauer um die Rothenberger Wehrkirche bot der Bevölkerung lange Zeit Schutz. Sie wurde um 1800 als baufällig beschrieben und 1845 eingerissen. Die Steine fanden eine neue Verwendung in der Mauer des 1783 angelegten, noch heute genutzten, Friedhofs. Wenn Steine erzählen könnten ……. .

45.

Mit dem Abschluss des Westfälischen Friedens beendeten die europäischen Potentaten im Oktober 1648 den 1618 begonnen Krieg um Land und Leute, der in seinem Verlauf zu einem Krieg gegen Land und Leute geworden war. Die Bevölkerung hatte noch lange zu leiden und mit den Folgen zu kämpfen. Wirtschaftliche Not, Obdachlosigkeit, Hunger und Pest, mussten erst noch besiegt werden. Welches religiöse Bekenntnis kann den Leuten zugemutet werden? Lutherisch, reformiert oder katholisch? Wie die Rothenberger Geschichte zeigt, war die Frage auf dem Hintergrund dessen, was die Bevölkerung selbst wollte, nicht entschieden, führte zu Übergriffen der Obrigkeit und Auseinandersetzungen, die bis in das 19. Jahrhundert reichten und u.a. durch den Gebrauch von Schusswaffen - in mehreren Fällen - beantwortet werden sollte. Dazu mehr in einem späteren Rückspiegel.

44.

Tod, Missbrauch, Raub, Verstümmelung: Die immer größer werdenden Söldnerheere der katholischen Liga und der evangelischen Union, in denen sich der Hochadel zusammengeschlossen hatte, mussten sich durch Plünderungen selbst versorgen. Ganze Landstriche wurden verwüstet, damit für den Feind nichts übrigblieb. Hauptkriegsfolge war ein Massensterben der ländlichen Bevölkerung, wie die Zahlen auch für Rothenberg belegen (RS 43). Der Krieg um Land und Leute richtete sich objektiv gegen Land und Leute. Die Todesfälle, die in Rothenberg für das Jahr 1622 dokumentiert sind, stehen sicherlich in Verbindung mit dem Kriegszug Tillys durch das Neckartal. Der schlug sein Lager bei Hirschhorn auf und beobachtete von dort aus die Truppenbewegungen seines evangelischen Gegners Mansfeld. Südhessische Chroniken berichten von bis zu 4000 Mann Kavallerie, die im April 1622 vom Neckar aus auf dem Weg an den Main in das Amt Freienstein einrückten. Städte, Burgen und Dörfer am Wege wurden erneut geplündert; auch Erbach wurde nicht verschont.

1632 treiben die Schweden, also „Verbündete“ der evangelischen Union, nach der Schlacht bei Nördlingen, die kaiserlichen Truppen General Tillys aus der Pfalz. Die Schweden marschieren durch das Neckartal; mit allen Folgen für die Bevölkerung am und um den Neckar. Dokumente beschreiben die Vorkommnisse in Eberbach und Hirschhorn. Gezahlte Kontributionen schützten die Städte und Dörfer nicht vor den Umtrieben marodierender Söldner. Die Wehrkirche bot nur unzureichenden Schutz. Viele, wenn nicht alle Dorfbewohner, die immer wieder auch Schutz in Waldverstecken gesucht hatten, flüchteten hinter die vermeintlich sicheren Mauern Hirschhorns. Schon 1624 wird die Anwesenheit des Rothenberger Schultheißen Georg Beysel in den Annalen vermerkt. „Gassen, Höffe und Winckel lagen voller Leutte“ und die fristeten „im Regen Schnee und under dem freyen Himmel“ ein elendes Dasein.

In Hirschhorn wartete 1635 die nächste Katastrophe, der Schwarze Tod: Die Pest brach aus. Die Pesttoten, unter denen sich bestimmt auch Rothenberger befanden, wurden in Massengräbern vor dem Böcklestor bestattet. Der Platz ist heute der verkehrsreichste in Hirschhorn.

Am 23. Juni 1622 überfallen Kroaten aus Tillys Armee Burg und Bevölkerung Erbachs. Gemälde aus dem Privatbesitz Graf Erbach-Erbach. Foto: Foto-König, www.schloss-erbach.de. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Gräflichen Rentkammer.

43.

Wie berichtet, gelang den Rothenbergern, verschanzt in ihrer Verteidigungsanlage, der Wehrkirche und dem ummauerten, mit Schießscharten versehenen Friedhof, in der Abwehr marodierender Söldner im November 1621, ein Erfolg. Das Leiden der Bevölkerung ging aber weiter. Berichte über weitere Überfälle der Soldateska der kriegführenden Parteien gibt es zwar nicht, das Rothenberger Dorfbuch enthält aber Hinweise.

1618 starb Ludwig von Hirschhorn. Seinem Nachfolger, Friedrich, huldigten im gleichen Jahr 52 Gemeindsmänner. Gemeindsmänner sind männliche Ortsbürger mit allen Rechten. Frauen, Kinder, Beisassen also Bewohner ohne Ortsbürgerrechte und deren Familien sind in dieser Zahl nicht enthalten. Dem Huldigungsprotokoll im Dorfbuch sind, hinter den Namen der Schwörenden, Kreuze mit der Jahreszahl 1622 nachträglich eingefügt. 1632 starb mit Friedrich der letzte Angehörige des Rittergeschlechts der Hirschhorner. 1641 hatten die Rothenberger dem neuen Lehnsherren der reichsunmittelbaren Herrschaft, Kraft Adolf von Cronberg, zu huldigen, das heißt nach Verlesung der Rechte und Pflichten, ihren Eid als Untertanen abzulegen. Das Huldigungsprotokoll verzeichnet jetzt nur noch 22 Ortsbürger. 30 Gemeindsmänner waren in dieser Zeit gestorben, das Schicksal ihrer Familien: ungewiss. Im Jahr 1556 waren in der Herrschaft Rothenberg 43 Häuser gemeldet. 1641 waren in der Herrschaft noch 16 Häuser bewohnt. Zerstört oder niedergebrannt waren 8 Häuser in Rothenberg, in Ober-Hainbrunn 3, in Unter-Finkenbach 2 Häuser. 14 Häuser standen leer.

Sieben Kriegsjahre standen der Bevölkerung noch bevor.

42.

Lucks Schilderungen beziehen sich auf die Grafschaft Erbach. Ein Bericht des Pfarrers Moterus von Roßdorf an den hessischen Landgrafen schildert die Ereignisse in Beerfelden noch brutaler.
Rothenberg war 1621 noch hirschhornisch. Für die Söldner hatten die Grenzen der Herrschaftsgebiete keine Bedeutung. Die Soldaten waren auf die Plünderung der Bevölkerung angewiesen. Fouragieren nannte man das. Pferde waren kriegswichtig. Vieh, soweit es nicht der eigenen Ernährung diente, wurde vorallem in Städte getrieben und dort den hungernden Einwohnern verkauft. Ernteerträge ließen sich zu Geld machen. Geld, wertvolle Habe, auch Kleidung waren im Tross der Soldaten, mit denen auch Frauen und Kinder unterwegs waren, begehrt.

 

Die Rothenberger, deren Dorf unterhalb der Höhenstraße von Hirschhorn nach Beerfelden lag, werden von den marodierenden Söldner sicher nicht vergessen worden sein. Schriftliche Rothenberger Überlieferungen sind rar. Berichtet wird von einem Trupp von zehn Reitern aus dem Anholtischen Kommando, die am 27. November 1621 von der befestigten Kirche aus zurückgeschlagen wurden.

 

Nach der Schlacht bei Wimpfen im Mai 1622 rückte Tilly, General des Fürstenbundes der katholischen Liga mit seinen Söldern durch das Neckartal gegen Heidelberg vor, in dessen Schloß sich der evangelische „Winterkönig“, Kurfürst Friedrich V., geflüchtet hatte. Kriegsgerät wurde auf dem Neckar verschifft, Dilsberg und Heidelberg mit Kanonen beschossen. Das Tross der Armee plünderte und brandschatzte die Dörfer entlang seines Weges auch rechts und links des Neckars.

 

Der Krieg der adeligen Potentaten gegen Land und Leute war erst in seinem vierten Jahr!

Rothenberger Urkataster aus den 1850er Jahren. Die Wehrkirche samt Mauer ist eingezeichnet. Maßangaben in Klafter (1 Klafter = ca. 2,5m)-Die heutige Straßenführung am Metzkeil in Richtung Beerfelden ist noch bebaut.

41.

Ein mit einer Wehrmauer befestigter Friedhof, eine Wehrkirche, wozu? Schlachten wurden woanders geschlagen. Die Rothenberger Befestigungsanlage hatte in ihrer Geschichte bis Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere Bewährungsproben zu bestehen. Wie noch in keinem Konflikt zuvor litt die Zivilbevölkerung zwischen 1618 und 1648, der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, unter den Auseinandersetzungen. Angst und Schrecken verbreitende, plündernde und mordende Söldner streiften durch das Land. Im „Krieg, der den Krieg ernährt“ wurde die Eskalation der Gewalt bewusst in Kauf genommen.

Johann Ph. W. Luck hat in seiner „Reformations und Kirchen-Geschichte der Graffschaft Erbach …“ 1772 die „Drangsaale“ beschrieben, denen die Bevölkerung Beerfeldens ausgesetzt war. Sein Bericht zitiert Christoph v. Adelsheim (1580 – 1632), einen kurpfälzischen Beamten. Lucks Schreibweise wurde beibehalten:

 

„17. Nov. 1621 Abends fielen 7 Cornet Reuter [Reiterkompanieen], unter Commando des Bayerischen General-Feld-Wachtmeisters Grafen von Anholt […] in den Flecken Beerfelden, plünderten, ohnerachtet der Verpflegung, denselben aus, nahmen 21 Pferde, und tractierten die Leute unmenschlich, daß sie, um ihr Leben zu retten, sich in die Wälder flüchteten. Folgenden Tags [… wurde] in dem Amt Freyenstein vollends alles aufgerieben auch die Kirche ihres Kelchs und Ornats [Ausstattung] beraubet, der Pfarrer erbärml. geschlagen und mit Stricken dermaßen geknebelt, daß ihm Gesicht und Gehör vergangen, das Blut aus den Augen herausgedrungen, und er in wenigen Tagen sterben müssen. Sie nannten ihn anders nicht, als einen Lutherischen Schelmen, und wollten ihn mit Bedrohung der Castration zwingen, daß er den Kirchen-Gesang: Erhalt uns, Herr, bey deinem Wort [Lutherisches Lied u.a. gegen den Papst] etc verschweeren [abstreiten, Existenz leugnen] sollte. Sie pressten ihm auch durch grosse Marter 600 fl [Gulden] aus. Die Flecken und Dörfer Freyensteiner Amts […] wurden geplündert, Pferde, Schwein- Rind- und Schaafviehe, mit Heerden hinweggetrieben, den Unterthanen ihr Gewöhr [Waffen] genommen, viele erschossen, etliche tödlich verwundet, die Frauens-Personen, jung und alt genothzüchtiget, und Häuser und Scheunen in Brand gestecket. …“

Soweit Luck zu den Ereignissen in Beerfelden.

Kupferstich, Soldaten überfallen ein Dorf (DAMALS, 5-2018)

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